Wolfgang Lettl 85 Jahre
Donaukurier 22./23.Januar 2005 "Es ist wie beim Schwammerlsuchen" Augsburg widmet dem Künstler Wolf gang Lettl zum 85. eine Geburtstagsausstellung Augsburg (DK) Wortspiele haben Wolfgang Lettl zu seinen ersten surrealistischen Bilderninspiriert. Und der 85-jährige Jubilar, dem das Lettl-Atrium in der Augsburger Industrie- und Handelskammer derzeit eine Geburtstagsausstellung mit 21 neuen Bildern und einer Video-Installation zum Thema „Türen"(in Lettls CEuvre) widmet, ist auch selber nicht auf den Mund gefallen. „Mein Kopf ist sicher nicht der allergescheiteste, aber zum Denken steht mir nur dieser zur Verfügung", sagte er einst nicht ohne Selbstironie. Und derAkt des Bildermalens inspirierte ihn zu einem geradezu malerischen Vergleich. „Es ist wie beim Schwammerlsuchen: Ich weiß vorher nicht, ob und wo ich Pilze finden werde." Denn Malen sei ja „nicht die Ausübung eines Tuns,das bekannt ist". Aber auch seine Mitmenschen bekommen von Lettl ihr Fett weg: „Kopflose Menschen", so sagt er, „kommen nicht nur in surrealistischen Bildern vor, sondern auch in der Umgangssprache. Genauso gibt es verbohrte Menschen und welche, die einen Dachschaden haben." Wie das bildlich aussieht, kann man nun in der Jubiläumsschau genauer betrachten. Lettls Formenvokabular ist gekennzeichnet von meist künstlichen Räuausgestanzte Figuren oder insNichts führende Brücken und Treppen ihr surrealistisches Dasein frönen. Flügel gehören in Lettls Werk wie Uhren in das vonDali. Ein Mühlrad fliegt etwa mit seinen Flügeln einfach so durchdie Natur. Bei der „Zwickmühle" ragen zwischen den Flügeln zappelnde Beine heraus. Und ein Kopf, der mit roten Flügeln versehen anscheinend zu rotieren beginnt, lässt einen schwindlig werden. Dabei waren Lettls erste Kontakte zum Surrealismus als Besatzungssoldat der Wehrmacht in Paris von Zurückhaltung geprägt. Wie er sich erinnert, warin seiner Heimatstadt Augsburg damals gerade erst der Impressionismus angekommen. Aber irgendwie haben ihn die surrealistischen französischen Bilder wohl intensiv und tief berührt. Denn schon 1946 entschloss sich der Autodidakt dazu, nur noch surrealistisch zu malen. In der kargen Nachkriegszeit musste er freilich noch Stadtansichten und andere Aquarelle anfertigen, allein sie waren verkäuflich oder zum Tauschhandel geeignet. Aber als seine Frau dank eines gut gehenden Wollgeschäfts bald für das eheliche Auskommen sorgte, war es um Lettls realistische Darstellungen geschehen. Menschen in der Flasche, auf Schreibtischen aufsitzende Oberkörper, aus allen möglichen Behältnissen herausragende Gliedmaßen oder Köpfe faszinierten ihn. Zerfressene, zerbrochene Körper, die wie verwitterte Gipsabnahmen vom Original wirken, finden sich in den Bildern. Scherenschnitte von Menschen, sowohl positiv als auch negativ, reizten den Künstler ebenso wie Wasserabsperrhähne, Gitarrenteile, aufgeplatzte Eier, Garderobenhaken oder verrottete Fischerboote. Interpretationen seiner Werke verweigert Lettl ebenso wie einst Magritte. Der Künstler sei nur der Bote, der Bedeutungen übermittelt, die aus des Künstlers Unterbewusstsein herausgeholt worden seien. Von seinen Werken müsse er nur soviel wissen wie der Briefträger von seiner Post: der Künstler als Diener höherer Mächte. Der hohe Anspruch passt gut zu Lettls grundsätzlicher Einstellung: „Dass unsere Zeit seelisch krank ist, daran, glaube ich, zweifeln nur diejenigen, die so krank sind, dass sie es selbst nicht merken. Die Erscheinungsformen des Surrealismus sind Symptome dieser Krankheit." Auch hinter den Verrücktheiten und der Arroganz vieler klassischer Surrealisten verbarg sich nach Lettls Auffassung „seelische Not und Zweifel an allem, an Gott und jeglichem Sinn des Daseins". Auch Lettl zeigt, dass die Welt nicht heil ist. Aber wenn er könnte, würde er es ändern. Joachim Goetz |