Lettl im Gericht

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augsburger-allgemeine.de


28.12.2001


Urteil: Hingehen, hinsehen!

Neue Bilder von Wolfgang Lettl im neuen Strafjustizzentrum

(sysch). Lettl im Gericht: Im kürzlich eingeweihten Strafjustizzentrum an der Gögginger Straße 101 zeigt der Augsburger Surrealist Wolfgang Lettl seine neuen Bilder.

„Kunst aber will gesehen sein, nicht registriert und nicht begafft werden, sondern angeschaut ...", steht neben dem Gemälde „Guten Morgen 2001", auf das Lettl heitere, in Stöckelschuhen tanzende Figuren mit klimpernden Wimpern in viereckigen Gesichtern verewigte. Lettl'sche Gedankengänge erschließen sich sehr leicht durch die jeweiligen Titel und durchs Einbeziehen seiner Texte zu den Bildern. Jedoch sind aufgrund der eigenen Reflexionen Lettls Arbeiten kein „selbstloses Spiel der Gedanken", wie der Kunsttheoretiker Andre Breton in seinem Manifest von 1924 den Begriff „Surrealismus" formulierte.

Wolfgang Lettl erklärt und klärt auf, will mit seinen gepinselten Verrücktheiten, seinem oft mystischen anmutendem Farbenspiel den Finger auf politische und gesellschaftliche Wunden legen. Dabei erinnert er mit „Delegation am Kap der Guten Hoffnung" an den Anstoß zur eben zu Ende gegangenen Augsburger Stöpselparade, mit „Rückzug in Strukturen" an das Aufgespießtwerden in zu engen Räumen und in „Die vierte Generation" an ein hilfloses Ausgeliefertsein. In „ Was schaut ihr - Seht euch selber an!" illustriert Lettl eine erschütternde, von der Farbe Signalrot bestimmte Szene: Kopfüber stürzt eine Frau ins Bodenlose, drei Holzköpfe am Bildrand bleiben unbeweglich.

Dass „Der Zeuge" im Strafjustizzentrum durchaus am richtigen Ort hängt, und dass sich einer, der ein wahrhaftiges Zeugnis ablegen sollte, manchmal im Kreis dreht, überspitzt Lettl malerisch mit fortlaufenden Magritte-Männchen inmitten einer Drehscheibe vor einer sich schamlos entblößenden Frau.

„Ein Bild ohne Namen ist wie ein Kleiderbügel ohne Haken" sinniert Lettl schließlich in Bezug auf seine neueste Arbeit, „Rote Libelle", auf der eine hohlköpfige Strickhüpferin schablonierten Schattenmännchen mit Melonenhüten mir nichts dir nichts auf und davon hüpft. Was sagen Lettl-Gemälde aus? Das Leben ist ein Spiel, die Kunst eine Spielart dieses Lebens, und „Lettl im Gericht" spielt mit skurrilen Gedanken, auffälligen Formen und Farben