Tagebuch eines surrealistischen Bildes                              frühere aktuelle Seiten


Da mich immer wieder Menschen fragen, wie surrealistische Bilder
von Wolfgang Lettl entstehen, widme ich diese Seite dem Entstehungsprozess eines Bildes.

Ich habe vor, es in Form eines Tagebuches zu dokumentieren,
beginnend mit dem 28. Februar 2004.

Die kleinen Bilder können mit einem Klick vergrößert werden.

Ich bin selber gespannt, wo mich die nächsten Tage und Wochen hinführen werden.

F. Lorian



Samstag, 28. Februar 2004, 18.00 Uhr

    

Vor einer Stunde malte Wolfgang Lettl
die letzten Pinselstriche am neuesten Bild.

Jetzt beginnt er mit ersten kleinen Bleistiftskizzen.
Wo sie hinführen werden ist noch völlig offen.

Ein Blatt Papier, Bleistift und Radiergummi sowie ein Taschenmesser fürs Bleistiftspitzen sind neben einem
leeren Kopf das Wichtigste - neue Einfälle gelingen nur,
wenn im Kopf Platz ist.



Sonntag, 29. Februar 2004

              

Sonntag ist traditionell Ruhetag bei Wolfgang Lettl.
So zeige ich heute fünf der gestern entstandenen kleinen Strichskizzen.
Zeichnung 1-3 haben eine schräge Ebene gemeinsam.




Montag, 1. März 2004, 21.30 Uhr

                    

Wolfgang Lettl arbeitet gerne am Abend.
Inzwischen ist er auf seinem zweiten Blatt bei Skizze Nr. 27 angelangt.
Er zeichnet in verschiedene Richtungen weiter.
Noch ist offen, wohin ihn die kleinen Entwürfe führen werden.




Dienstag, 2. März 2004, 21.20 Uhr

           

"Ich sitze vor einem leeren, weißen Blatt und versuche, mir etwas einfallen zu lassen;
alle Möglichkeiten stehen mir offen, aber was ich aufs Papier bringe,
ist sinnloses Gekritzel und albernes Zeug.
Und so vertue ich Zeit und Papier, viele Stunden und Tage, das Ergebnis ist Null;
und ich meinte doch, ich sei voller Ideen."




Mittwoch, 3. März 2004, 18.30 Uhr

              

Wolfgang Lettl zeichnet sich langsam ein.
Die Skizzen werden etwas genauer.
Die letzte Skizze hat er vor etwas größer zu zeichnen.
Er hat eine Gitterstruktur darübergelegt, um bei der Übertragung die Bildpunkte zu finden.


Video  135 Kbit/s (1 min)   Video:
Wolfgang Lettl beim Zeichnen
135 Kbit/s (1.05 min)




Donnerstag, 4. März 2004, 21.45 Uhr

   Am heutigen Tag fertigte Wolfgang Lettl als erstes Ergebnis seiner Skizzen eine Zeichnung an.
Bevor er sich zu einer Ausführung als Bild entscheidet,
wird er die Zeichnung noch einige Tage liegen lassen
und weiterzeichnen.




Freitag, 5. März 2004, 20.45 Uhr

   Aus einem Telefonat mit Wolfgang Lettl erfuhr ich soeben, dass er gerade zu nebenstehender Skizze vom 2. März eine Zeichnung macht, die morgen fertig sein wird.




Samstag, 6. März 2004, 23.45 Uhr

   Nachdem es heute sehr spät geworden ist, hier noch ganz schnell die neue Zeichnung.



Sonntag, 7. März 2004, 19.00 Uhr

Der Sonntag als Ruhetag war heute ein Tag des Überdenkens des bisher Gemachten.
Eine erste Entscheidung ist gemeinsam getroffen worden:
Wolfgang Lettl wird morgen versuchen die letzte Zeichnung in eine Farbskizze umzusetzen.




Montag, 8. März 2004, 20.15 Uhr

   Der Farbentwurf heute war relativ schwierig: Einzig klar war, dass die Windmühlenflügel rot werden sollten. Die Schwierigkeit die sich dann zeigte war, ob er Kopf dunkler oder heller als die Umgebung sein müsse. Als dann die Farbigkeit so weit fertig war wirkten der Kopf und die ihn umgebenden Tafeln mit den ausgeschnittenen Figuren zu klein, was an der Größe der im Hintergrund kreuztragenden Christusfigur lag.

Erst als diese Figur weiter vorgerückt und kleiner wurde, nahm die Komposition an Größe zu. Wolfgang Lettl ist mit diesem Farbentwurf noch nicht zufrieden. Ob ein weiterer folgen wird, oder ob er wieder mit Zeichnen weitermacht wird, ist noch nicht sicher.




Dienstag, 9. März 2004, 21.00 Uhr

Wolfgang Lettl hat heute nochmals die Zeichnung überarbeitet und einen weiteren Farbentwurf gemacht.
     Der Himmel ist klarer und damit kälter geworden. Die Tafeln mit den ausgeschnitten Figuren kommen damit mehr zur Geltung.
Noch ist die Farbgebung nicht ganz abgeschlossen. Morgen wenn die Farben etwas angetrocknet sind, kommt die Feinabstimmung.




Mittwoch, 10. März 2004, 21.00 Uhr

     Die Farbskizze ist fertig. Wolfgang Lettl wird das Bild malen.
Es stellt sich dann immer die Frage: Wie groß soll das Bild werden?
Unsere Erfahrung lautet: Wenn ein Bild eher ein Witz oder eine Karrikatur ist gehört es klein. Je ernster das Bild ist, um so großer muss das Format sein. Wolfgang Lettl wird das neue Bild 116x146 cm groß malen.
Er hat heute bereits begonnen ein Brett zu grundieren.




Donnerstag, 11. März 2004, 17.00 Uhr

           

Die Zeichnung ist mit einem Gitternetz überzogen, ebenso das grundierte Brett.
Meterstab und Lineal helfen Wolfgang Lettl beim Übertragen der Zeichnung.




Freitag, 12. März 2004, 22.00 Uhr

     

Heute hat Wolfgang Lettl mit dem Malen des Bildes begonnen.
Für mich ist es immer wieder überraschend, wie schnell
diese ersten Pinselstriche die Bildfläche füllen.




Samstag, 13. März 2004, 22.30 Uhr

  

Die erste Bemalung des Bildes ist abgeschlossen.
Wenn die Farben am Montag etwas angetrocknet sind,
folgt die erste Übermalung, die mehr ins Detail geht
und wahrscheinlich bis Ende nächster Woche dauern wird.


Video  135 Kbit/s (1 min)   Video:
Wolfgang Lettl beim Malen
135 Kbit/s (1.00 min)




Sonntag, 14. März 2004, 14.00 Uhr

Für Wolfgang Lettl ist heute Ruhetag.
Im Tagebuch nutze ich die Gelegenheit
seine Arbeitsmaterialien vorzustellen.

  

Wolfgang Lettl verwendet Ölfarben der Sorte 1
der Firma Lukas (ca. 20 verschiedene Töne)
Als Malmittel und zum Pinselreinigen hat er Trepentinöl.

Als Pinsel verwendet er Rotmarderpinsel
der Firma Zirbelnuss in den Größen 6-16.
Die hier abgebildeten Pinsel sind alle schon stumpfgemalt.




Montag, 15. März 2004, 18.00 Uhr

  

Die Erste Übermalung des Bildes geht zügig voran.
Sie sehen einen anlässlich des schönen Wetters und des Bildes zufriedenen Wolfgang Lettl.




Dienstag, 16. März 2004, 21.00 Uhr

  

Die großen Flächen sind ein erstes Mal übermalt.
Jetzt wird es mühsammen und man sieht keine so schnellen Fortschritte mehr.

  

Um nicht zu verwackeln unterstützt Wolfgang Lettl mitunter seine rechte Hand mit seiner Linken.

Video  135 Kbit/s (1 min)   Video:
Wolfgang Lettl beim Malen eines Details
135 Kbit/s (1.00 min)




Mittwoch, 17. März 2004, 20.00 Uhr

  

Durch Nebeneinanderstellen einer Aufnahme des Kreuzträgers von gestern und einer heutigen kann man deutlich den Fortschritt durch die Übermalung sehen.



Donnerstag, 18. März 2004, 18.30 Uhr

     

Heute gibt es nochmals zwei Detailaufnahmen.
Morgen wird Wolfgang Lettl dieses Bild beenden.




Freitag, 19. März 2004, 23.45 Uhr

     
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Nachdem Wolfgang Lettl heute noch einige Kleinigkeiten korrigiert hat,
ist das Bild so weit fertig, dass ich sein Tagebuch für die nächste Zeit beende.

Wenn das Bild nach 4 - 8 Wochen durchgetrocknet ist, wird es gefirnist.
Dadurch werden die Farben satter und der Firnis gibt dem Bild einen gewissen Schutz.

Irgendwann vor der nächsten Ausstellung wird das Bild dann noch einen Rahmen
und zu guter Letzt auch noch seinen Titel bekommen.

Bei wichtigen Ereignissen im Leben dieses Bildes, werde ich sein Tagebuch an dieser Stelle weiterführen.





Dezember 2004



Das Bild hat jetzt seinen Ramen und Namen: Der Hohe Rat.
Es ist zu sehen in der Sonderausstellung zum 85. Geburtstag von Wolfgang Lettl
im Lettl-Museum in Augsburg vom 18.Dezember 2004 - 27. Februar 2005.

In seiner Rede zur Ausstellungseröffnung sagt Wolfgang Lettl folgendes zu diesem Bild:

... Beim nächsten Bild ist der „Einsame“ durch eine zunächst nur dekorativ gemeinte
Gruppe aus einem hölzernen Flachkopf und einer Art Windmühlenflügel ersetzt,
die aber bei näherer Betrachtung die Form einer Folterszene annimmt.

„Hat es denn keine andere Möglichkeit gegeben, als das ganze mit einer Schraube
zusammenzuhalten, die brutal mitten durch den Kopf geht?“

„Was ist aus den Wänden geworden?“

„Aus Brettern ausgesägte Schablonen.“

„Schablonen von was?“

„Von Männern, die nicht da sind.“

„Warum sind sie nicht da? Haben sie sich aus dem Staub gemacht?“

„Nein, diese Männer sind nie da. Das heißt, sie sind schon da, aber in Abwesenheit.
Nicht eigentlich sie, sondern ihre Umrandung, ihre Fassung sozusagen, ihre Verfassung.“

„Hätte man die Schablonenmänner nicht weglassen können, die brauchen wir doch gar nicht?“

„Haben Sie eine Ahnung, Schließlich lenken, ordnen, bestimmen und prüfen die alles.
Stellt Euch vor, was das Bild ohne die 4 weißen Gestalten wäre: Nichts.“

„Also sind sie die Regierung?“

„Das auch wieder nicht.“

„Wer hat denn damals eigentlich dem Judas das Geld gegeben, das er dann weggeschmissen hat?“

„Der hohe Rat.“

„Ok.“