Wolfgang Lettl - Der Vielseiter


Der Magier des Surrealen

Zum zehnten Todestag sind die Bilder Wolfgang Lettls wieder einmal ausgestellt.
Heftig wirbt der Lettl-Verein für ein dauerhaftes Museum.
Bernd Nill hat auch schon eine Idee

Augsburger Allgemeine, 08. Februar 2018
von Alois Knoller

Foto: Hochgemuth

Die Kulturjournalisten Nicole Büsing und Heiko Klaas aus Hamburg bearbeiten zurzeit den Eintrag Wolfgang Lettls in das „Kritische Lexikon der Gegenwartskunst“. Florian Lettl (Mitte), Organisator der Ausstellung, freut sich über die Wertschätzung des Vaters.                                                                               Foto: Hochgemuth

Der Lettl-Verein rief, und aus allen Richtungen strömten Fans zur Vernissage in die Zeuggasse, um endlich wieder einmal die surrealistischen wie impressionistischen Bilder von Wolfgang Lettl (1919–2008) zu sehen. Seit dem Ende des Lettl-Atriums in der Industrie- und Handelskammer gibt es dazu keine ständige Gelegenheit mehr. Doch nach dem Willen des Vereinsvorsitzenden Bernd Nill soll sich das ändern.

Bei Eröffnung der Ausstellung zu Lettls zehntem Todestag stellte der Unternehmer entschlossen eine Initiative vor, Lettls Lebenswerk wieder zugänglich zu machen. In den Räumen von Nills ehemaligem Einrichtungshaus sollte eine Museumsgalerie auf 740 Quadratmetern entstehen. „Wir könnten ständig neue Bilder hängen und auch audiovisuelle Medien einsetzen“, entwarf Nill das Bild einer kontinuierlich attraktiven Galerie. Um keine Monokultur zu hegen, könnten zudem andere Augsburger Künstler hier ausstellen – in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Gegenwartskunst und dem städtischen H2 im Glaspalast. Schließlich stelle man sich Lesungen und Konzerte im Museum vor.

Alle Rotarier der Stadt hatte Nill eingeladen, um sie von seinem Vorhaben zu begeistern. Spaßig warnte er sie: „Passen Sie auf, Lettl macht süchtig! Man will seine Bilder immer wieder sehen.“ Die Kosten von 75000 Euro pro Jahr sollten sich der Hauseigentümer, Sponsoren und die Stadt dritteln. „Es wäre eine klasse Public-Private-Partnership“, sagte Bernd Nill über das mögliche privat-öffentliche Gemeinschaftsprojekt. Der Lettl-Verein werde jetzt versuchen, alle Fraktionen im Stadtrat mit der Idee zu infizieren.

Welchen künstlerischen Reichtum der Augsburger Maler zu bieten hat, stellt die umfängliche Ausstellung in der Zeuggasse unter Beweis, die sein Sohn Florian übersichtlich in Schaffensperioden gegliedert ausgewählt und aufgehängt hat. Lettl verrückt in seinen Bildern die Realitäten, macht Schweres leicht, hebt die Grenze zwischen den Elementen auf, erschafft so fantastische Wesen wie einen weiblichen Zentaur. Seine Figuren balancieren auf fragilen Konstruktionen, hohen Gerüsten und schmalen Stegen. Sie bewohnen runde Türme, befahren auf abenteuerliche Weisen die See, hasten entlang endloser Mauern und geraten in Beklemmung. Freuden wie Ängste transportieren diese Gemälde, sie verleihen der Fantasie Flügel und mahnen mit apokalyptischem Ernst zur Umkehr.

Wolfgang Lettl wusste um die Dramatik der profitgierigen Ausbeutung der Natur, die Uniformierung einer Gesellschaft, ihre Zwänge zu Erfolg und Anpassung. Heiter hintersinnig geraten dennoch seine Bilder meistens. Die Absurditäten des Alltags nimmt Lettl mit leichter Hand, ein Zyniker ist er nie geworden, aber auch nie verzweifelt. Gerade in den Bildern seines letzten Lebensjahrzehnts schlägt eine tiefe Gläubigkeit durch, er ahnt das Geheimnis des Kreuzes, dass Erlösung durch Leid und Tod führt.

Die beiden Hamburger Kunstjournalisten Nicole Büsing und Heiko Klaas haben dem „Kritischen Lexikon der Gegenwartskunst“ eben einen Aufsatz über Wolfgang Lettl eingefügt. Sie kannten sein Werk zuvor nicht und waren beeindruckt von Lettls sieben Jahrzehnte dauernder künstlerischer Tätigkeit. „Seine Bilder können als Membrane zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gelesen werden“, sagte Nicole Büsing in ihrem Vortrag. Sie schlug den Bogen von den Aquarellen des deutschen Soldaten im besetzten Paris über die Heimatstadt in Trümmern, seinen ganz eigenen surrealistischen Stil, den Impressionen seiner Sommerfrische in Apulien bis zu den symbolgeladenen Bildserien wie den selbstironischen „13 Versuche, ein Hahn zu werden“. Der Hahn steht darin für Sonne und Licht, als Wächter und Verfechter der Wahrheit, aber auch als streitlustiger Gebieter und lüsterner Eroberer.