"Das Finale ist gemalt"

Zum Tod von Wolfgang Lettl
Gedenkrede
des Vorsitzenden des Lettl-Vereins
Dr. Dieter Münker
am 1. März 2008

Rede im PDF-Format                                             Rede IHK - Präsidentin Leimer

                                                                                   Rede Florian Lettl



Sehr geehrte Frau Präsidentin Leimer,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Leipprand,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Familie Lettl

„Ich wußte nicht, wie Kunst mich faszinieren kann“

„Worte haben viel zu enge Grenzen. Ich müßte wohl ein Bild malen, um auszudrücken, wie begeistert ich von diesen Bildern bin.“

„Danke für diese wunderbaren Kunstwerke; Danke für ein Stück mehr Kultur in Deutschland“

„Bilder, die berühren, die Denkanstöße geben, die perfekter nicht sein können...mit Schuß Ironie - einfach grandios"

"Ich beginne durch Lettl zu ahnen, wer ich war, bin, sein kann.“

„Ich lernte einen Patienten kennen, der, nachdem er verunfallte, sein Interesse an der Kunst entdeckte und die Liebe zu Ihren Bildern.“

„Ich habe Stunden auf der Lettl- Homepage verbracht. Ich habe einen Künstler kennengelernt, der mit einer phantastischen Bandbreite Werke geschaffen hat, die nachdenken lassen, die faszinieren. Innerhalb kürzester Zeit bin ich zum Fan geworden.“

„Wahrscheinlich müßte ich sogar zum Wort „Malkultur“ greifen, um auszudrücken, welchen ausgiebigen und sich für mich nie erschöpfenden Spaß es macht, sich diese Gemälde immer wieder aufs neue anzugucken.“

Das sind nur wenige von ungezählten Reaktionen auf Lettls Bilder in Briefen und Gästebucheintragungen. Sie stammen meist von Jugendlichen, von praktizierenden Künstlern und Kunstfreunden aus ganz Europa und sogar der USA

„Seit Magritte habe ich nichts so Gutes gesehen“ schreibt eine Edit Vladár aus Budapest und der junge Schriftsteller Heinz Ratz schrieb nach der ersten Retrospektive von Lettls Bildern 1992 „Ich bin vom Zeughaus zum Haus meiner Mutter gerannt, um das Fieber zu kühlen, das ihre Bilder bei mir auslösten...Ich hätte es mir nicht träumen lassen, daß es noch einen lebenden Künstler geben könnte, der an Magritte heranreicht. Sie sind wärmer als er, menschenfreundlicher, will mir scheinen und übertreffen ihn noch im Mythos ihrer Bilder“

Wolfgang Lettl 15.8.2002 Die Barriere Der dritte Mann Die Buchung Brandstifter 4 Eurydike Der Wächter Die Rivalen Requiem La Vedova


Nach seinem Tod überschlagen sich v.a.im Internet die Kommentare.
Ich zitiere daraus nur fünf:

„Nur in der Kunst war er ein Wilder,
in manchen seiner Phantasien
mag er sich physisch uns entziehen
er ist noch hier: sehn wir die Bilder“
dichtet der Lyriker Heinz-Albert Ellner aus der Eifel

„In seinen Bildern wird Wolfgang Lettl weiterleben – er war ein so produktiver Künstler, der noch viele Generationen mit seinen Werken erfreuen, faszinieren und inspirieren wird“
schreibt die Fotografin Jacqueline Esen aus München.

„Die humorvolle und von unaufdringlicher Weisheit durchdrungenen Bilder werden mich weiter begleiten und mit immer neuer Freude erfüllen“
schreibt die Bildhauerin Wilma Kloiber aus Niederbayern

“Die Bilder, die zum besten gehören, was das 20.Jhd. hervorgebracht hat, werden uns ein Leben lang begleiten und inspirieren.. In Trauer um einen der größten Surrealisten der Geschichte der Malerei.“
schreibt der Schweizer Schriftsteller René Oberholzer.

„Seine einzigartige surrealistische Malerei lernte ich lieben und sofort war ich von einer Welle der Sympathie zu diesem großen Künstler getragen. Sein Werk begeistert mich und ich bin überzeugt, daß er mit seinen Werken in die Unsterblichkeit der Kunstgeschichte eingehen und so in unseren Herzen weiterleben wird“
schreibt der Berliner Maler und Grafiker Dieter Raedel unter der Überschrift „Hommage an einen unbekannten Freund“ auf seiner eigenen Homepage ‚Penzmaler‘, um der Welt mitzuteilen, was er verloren hat.

Die Sängerin Nicole Haibach aus Berlin schreibt:
„Als ich die Webseite zum 1.Mal virtuell betrat, ist in mir tief drinnen irgendetwas Schönes passiert, etwas das erklärt, warum ich heute so traurig bin....Seine Ideen und Farbgebungen haben mich beflügelt auf unterschiedlichste Weise; er gehört zu den Menschen, die mir...Türen aufgezeigt haben, so daß ich hindurchtreten kann, so daß mehr passiert: mein eigener Weg führt mich stärker zur Kunst...
Ich hoffe, daß ihm zum Zeitpunkt seines Abschieds bewußt war, wie sehr er Menschen erfreut und inspiriert hat.“

Fast allen Kommentaren ist gemein, das das Betrachten von Lettls Bildern mit den Menschen mehr macht als ein ästhetisches Empfinden oder Neugier. So überraschend die Begegnung mit diesem bisher meist unbekannten Maler ist, so inspirierend ist sie zugleich, sie regt zum tieferen Nachdenken an, sie nimmt die Menschen gefangen, ja verändert sie. Gerade künstlerisch veranlagte und junge Menschen reagieren enthusiastisch.

Er erzählte einmal, daß seine Schwiegermutter täglich zum lieben Gott bete, er möge doch andere Bilder malen. Wie gut, daß er sich davon hat nicht beeinflussen lassen.

Seit der ersten Retrospektive im Zeughaus 1992 im Nachgang zu seinem 70. Geburtstag war der Mann, der beschlossen hatte, lieber unbekannt zu bleiben als sich auf dem Kunstmarkt zu prostituieren, nicht mehr privat.

Es folgte 93 das Lettl-Atrium mit seinen rd.170 Bildern überwiegend aus den 80er Jahren, das jährlich von 100.000 Menschen besucht wird, viele mehrfach, die meisten davon Jugendliche, die sich bei der IHK weiterbilden oder als Schulklassen dort hingeführt werden. Dieses Museum hier in der IHK ist bisher einzigartig geblieben, weil es die Kunst zum Bürger führt (und nicht umgekehrt), und zwar überwiegend solche Bürger, die aus eigenem Antrieb nicht unbedingt ein Museum aufsuchen würden. Seither ist er für viele junge Menschen dieser Region „mein Lettl“ geworden.

Das Lettl-Atrium ist aber auch deshalb einzigartig, weil es in dieser Zusammenfassung und Fülle keinen anderen Ort gibt, um Lettl in seinen Bildern physisch zu begegnen. Überhaupt dürfte es nur wenige Museen in der Welt geben, die einen so kompletten und umfangreichen Ausschnitt aus dem Lebenswerk eines Künstlers zeigen können. Die 9 Gästebücher seit der Eröffnung zeigen, wie viele Menschen nur wegen dieses Museums nach Augsburg kommen. Mit der 2002 in den Kammer-Räumen in Lindau eröffneten ständigen Ausstellung mit ca.90 Lettl- Bildern, darunter 30 impressionistischen, geht es ähnlich.

Aber erst die großartige Hompage, die Florian Lettl seinem Vater gewidmet hat, erschloß ihm viele Herzen in der ganzen Welt. Über 300.000 Interessierte besuchen dieses virtuelle Museum pro Jahr.

Spätestens seitdem wird in wachsendem Umfang und zunehmend auch international das Copyright zum Abdrucken einzelner Bilder erbeten für Schulbücher, Kataloge, Schriftreihen, Zeitungen, Plakate, Theaterprogramme, wissenschaftliche Arbeiten, Firmenwerbung usw.; ja sogar eine CD des Orchesters der schottischen Oper ziert das Lettl-Bild „Die Geburt des Odysseus“.

Bedarf es weiterer Hinweise, was wir, was Augsburg, was Schwaben, was die Kunstwelt verloren haben?

Falsch: Verloren haben wir nichts. Künstler haben die beneidenswerte Fähigkeit, in ihren Werke unsterblich zu sein – zumindest gilt das für die wirklich Großen. Und Lettl war ein wirklich Großer, wie alle bestätigen, die seinem Werk je begegnet sind.

Also beklagen wir heute allenfalls, daß es keine neuen Bilder mehr zu bewundern gibt, was ich bei der Ausstellung seiner letzten 15 Bilder vor 2 1/2 Monaten noch gehofft hatte. Es bleibt das Ergebnis eines unglaublich produktiven Künstlerlebens. Es bleiben die wundervollen Lettl-Farben, mit ihren faszinierenden Abstufungen und dem alles dominierenden Blau, das den Optimismus von Wolfgang Lettl widerspiegelt. Es bleiben die genialen, tiefgründigen, meistens ironisierenden, unglaublich vielfältigen Motive, die über die Welt mehr aussagen als viele Worte. Es bleiben seine scharfsinnigen Gedanken, in den Bildern, in seinen Reden und in den Kommentaren in den Katalogen. Ja, es bleibt seine Stimme, seine Physiognomie, seine Körpersprache in den surrealen Filmen, die Florian gedreht hat.

Wenn wir heute zu einer Gedenkfeier eingeladen haben, dann also nicht, weil wir um etwas Unwiderbringliches trauern, sondern weil wir uns bewußt machen wollen, wie großartig dieser Mann war. Er war aber nicht nur unverwechselbar als Künstler, sondern er war als Person unverwechselbar; ein kluger, scharf analysierender Verstand, im Luther’schen Sinne ein“ Christenmensch, niemandem auf dieser Welt untertan“, und für jeden, der das Glück hatte, ihn näher kennenzulernen: ein wunderbar humorvoller Mensch, demütig und bescheiden mit einem großen Herzen und einer unwiderstehlichen Aura. Mahatma Gandhi hat einmal gefordert „Sei Du selbst die Veränderung, die Du wünschst für diese Welt“ Wolfgang Lettl hat für sich genau das gelebt und wurde daher zum Vorbild und so zu Lebzeiten schon zum Denkmal.

Wolfgang Lettl als Mensch ist tot. Jedes menschliche Leben hat ein Ende. Wie schön, wenn man nach 88 so intensiv gelebten Jahren ohne Schmerzen einfach einschlafen darf. Er hatte allen Grund, mit sich zufrieden zu sein und ich bin ganz zuversichtlich, daß er dies auch war.

Wolfgang Lettl, der Maler, der Philosoph, das Vorbild lebt weiter. Das gilt für uns, die wir das Glück hatten, ihn ein Stück des Weges zu begleiten und ihn künftig noch öfter in seinen Bildern suchen werden. So werden wir auch seine Kataloge daheim noch öfter zur Hand nehmen. Für diejenigen, die noch nicht beide Kataloge besitzen, besteht nach dieser Veranstaltung die Möglichkeit, die Lücke zu schließen.

Er lebt aber auch für Dich weiter, liebe Franziska, für Deine Kinder und Enkel. Er bleibt nicht nur in Euren Erinnerungen gegenwärtig, sondern auch in den Augen und Herzen aller bisherigen und künftigen Bewunderer seiner Kunst und seiner Gedanken. Er ist ein Bestandteil der Kunstgeschichte geworden und damit unsterblich, für die gesammte Menschheit.

Wolfgang, ich danke Dir im Namen aller Lettl-Freunde für Deine Lebensleistung!
Wir halten Dir und Deiner Familie die Treue!