Franziska: Muse, Modell Mäzenin
Augsburger Allgemeine
28.12.2010
Die märchenhafte Frau
Von
Alois Knoller
Mehr als fünfzig Jahre diente Ehefrau Franziska als Muse und Modell für den surrealistischen Augsburger Maler Wolfgang Lettl.
In der Industrie- und Handelskammer versammelt eine Ausstellung die Bilder, inspiriert von Franziskas Weiblichkeit.
Franziska war seine große Liebe.
Noch 1945 hatte der Kriegsheimkehrer Wolfgang Lettl seine Muse kennengelernt.
Als Nachrichtensoldat in Paris hatte er erste Berührung mit der surrealen Kunst.
Die vier Jahre jüngere Franziska sollte diesen künstlerischen Weg als Modell zeitlebens begleiten. An sie, die mit 86 Jahren am 22. September starb, erinnert eine Lettl-Ausstellung in der Industrie- und Handelskammer.
Das früheste Bild mit Franziska („Der Kuss“) ist noch ganz französischen Vorbildern verpflichtet.
Sie schwebt diagonal von oben ein, trifft küssend einen Matrosen über einer stilisierten städtischen Straße,
auf der sich sinnfällig sexy der Torso einer jungen Dame und das Haupt eines jungen Mannes im Blick begegnen.
Auch das „Liebesspiel“ (1958) ist noch sehr am Maschinell-Mechanischen interessiert; Lebewesen von Fleisch und Blut sind das nicht.
Das fragmentierte Paar verschränkt sich jedoch recht innig.
In den Sechzigern verdichtet sich Wolfgang Lettls Interesse am weiblichen Akt.
Geschlechterrollen werden befragt zwischen der Anmut der Flamingos und der Rohheit des zotteligen Esels.
Tiefenpsychologisch subtil handelt der Maler die Liebe in seinem aufsehenerregenden Bild „Die Beerdigung“ (1962) zwischen sexueller Begierde, romanhafter Verklärung und ehelicher Vertraulichkeit hinterm schwarzen Vorhang ab.
1965 sollte „Das Nashorn“ folgen: ein weiblicher Akt mit Ehepaar im Leierkasten, mit leerer päpstlicher Sänfte und Dante’schen
Seelenengeln, mit der schmutzigen Öde von Vorstädten, Klavier und dem ziemlich winzigen Dickhäuter,
der doch sonst stolz die Männlichkeit repräsentiert.
In die Reihe gehört nicht zuletzt „Der Mädchenanzünder“ (1967),
eine zweigeteilte Komposition mit buchstäblich entflammten Frauenakt auf dem schwebenden Sofa und darunter einer zauberhaften Blumenwiese, in der ein maskierter Mann vom Ordnungshüter verfolgt wird (zu sehen im Lettl-Atrium).
Die Blumenwiese wird Lettl noch öfter in Zusammenhang mit Akten malen.
1975 breitet sie sich unter einem Luftschiff mit dem Medaillon seiner geliebten Franziska aus - ein Inbegriff des prallen Lebens in all seiner Schönheit, dem allerdings etwas Illusionär-Traumhaftes anhängt, denn der Kahn spiegelt sich in einer Wasserfläche. Durch den Märchenwald stolziert auch mal ein Hahn am Kanapee mit der wartenden Dame vorbei. 1976 vertrieb Lettl die Romantik und setzte seine nackte Franziska auf eine Kiste voller Fische, kokett die Beine übereinandergeschlagen und eine Zigarette in der Hand. Eine Menge roter Windmühlenflügel erzeugen revolutionäre Bewegung in dem Bild.
Auf einmal steht eine Kentaurin in dem Wald, ein Mischwesen aus Frau und Pferd,
die ihr Haupt unter einem violetten üppigen Blumenhut verbirgt.
Lettl wertet die bekannten Eigenschaften des Kentauren um:
Jetzt ist die Frau das starke Wesen, dem allerdings die Natur zum Klotz am Bein wird.
Luftig wie ein Brief tritt Franziska dem Betrachter schließlich im Bild „Letzter Tanz“ (1997) entgegen. Die Liebe überlebt als Erinnerung nahezu entkörperlicht in lauen Mondnächten.
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